Introducing Berlin: Tempelhof-Schöneberg Carsten Grajek
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Der gutbürgerliche Regenbogen-Bezirk!
„Never have eye contact while eating a banana!“ schoß es mir durch den Kopf. Ich gucke kurz peinlich berührt auf den Boden und lache in mich hinein. Ich befinde mich auf dem Wochenmarkt am Winterfeldtplatz mitten im Schwulenkiez in Schöneberg. Ich genieße „meine Banane“ und breche auf Richtung Motzstraße in der 1897 die erste schwul-lesbische Menschenrechtsorganisation gegründet wurde. Hier findet das „Motzstraßenfest“ statt und es gibt viele Plätze, Lokalitäten und Etablissements in dem vorallem Mann sich gut erleben und austoben kann. Eine Straße weiter in der Fuggerstraße wird das Bild durch „Fetischboys“ und „Fag Hags“ bestimmt. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes: Ein buntes Treiben. Die „Folsom Europe“ findet hier jährlich statt. Es ist ein Straßenfest der „BDSM- und Fetischszene“. „Fistfighting“ hat hier definitiv eine andere Bedeutung! Man sieht dann viel Lack, Leder und nackte Haut. Doms suchen dann ihre Subs, Jungs ihre Daddies. Die Gegend wird zu einem Hundeauslaufgebiet. Wuff wuff! Natürlich ist Schöneberg nicht rein durch Sex und Fetisch bestimmt. Der Bezirk hat sehr viele unterschiedliche Einflüsse und Orte. Schöne Altbauten rund um die Akazienstraße oder die legendäre „Rote Insel“ in der Marlene Dietrich geboren wurde und Hildegard Knef lebte. Und auch John F. Kennedy hatte hier 1963 vor dem Rathaus „Ich bin ein Berliner!“ ausgerufen…
Ich wechsel die Szene und befinde mich in „Tempeldoof“, so wie es meine Omi liebevoll sarkastisch nennt. Ich laufe über das „Tempelhofer Feld“ (einst Flughafen, dann Luftbrücke und jetzt Tempelhofer Freiheit). Hier sind meine Wurzeln und ein Großteil meiner Familie lebt hier immer noch. Hot Tea: Mein Großonkel, war hier jahrelang Bezirksbürgermeister. Es ist der konservative Teil des Bezirkes. Hier leben vorallem viele spießig-biedere Bürger, die die Stadt oft nur noch durch die „RBB-Nachrichten“ erleben. Schrullige Einfamilienhausbesitzer mit Schrebergärten oder alteingesessene Rentner die aus ihren geranienbepflanzten Balkone rausgucken. Ich lieb’s! Wo stehe ich zwischen diesen beiden Welten? Ich liebe den Spagat genau dazwischen. Grenzgänger zu sein und je nach Lust und Laune die Location zu wechseln finde ich super. Ich liebe den flächenmäßig kleinsten Teil des Bezirkes: Das lyrische Friedenau. Es ist ein Dorf in der Stadt. Ein Dorf der Dichter und Denker in dem Günther Grass lebte und seine „Blechtrommel“ schrieb…
Bezüglich der „BDSM- und Fetischszene“ finde ich – aus Sicht eines Designers – die Symbolkraft und die emotionale Bedeutung die die Träger*innen ihren Bekleidungen und Accessoires zuschreiben sehr inspirierend. Generelle Selbstbestimmung – und eben auch die sexuelle – finde ich eine wichtige Sache. Eine natürliche Neugier zu haben und unbekannte Dinge einfach auszuprobieren ist super. Davon kann man nur profitieren und sich auf persönlicher Ebene weiterentwickeln. Ich finde es schön, dass jeder in Berlin seine Szene mit Gleichgesinnten finden kann. Ich würde mir mehr Feste wie den „Berliner Tuntenball“ wünschen in dem diese beiden Welten zusammen kommen können und gemeinsam für Toleranz, Weltoffenheit, Liebe, Respekt und Vielfalt werben.
Der Bezirk lehrt mich: „Sei so frei wie du es sein willst & Gegensätze ziehen sich aus!“